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NATIONALE VERLEGENHEIT

I

ch bekam kürzlich durch einen spanischen Mitbürger zu hören, wir Deutschen hätten zu wenig Nationalstolz. Ich habe mich natürlich sofort gefragt, worauf ich denn stolz sein kann:

        Also, auf die politische Vergangenheit können und dürfen wir ja wohl nicht stolz sein. Weder auf die jüngste Vergangenheit, die immer wieder blühende (Wirtschafts-)Iandschaften versprach, wo aber nichts zu sprießen begann, da angeblich die marode Weltwirtschaftslage dies verhinderte, noch auf die Zeit vor der Wiedervereinigung, als in Deutschlands Osten ein Unrechtsregime an der Macht war. Auf die Zeit davor ja wohl erst recht nicht!

        Und dass die Vergangenheitsbewältigung immer noch nicht abgeschlossen ist, wird einem eindrucksvoll dadurch vor Augen geführt, wie schwer sich unsere vielbeschworene Demokratie damit tut, einen Rechtspopulisten wie Jürgen Möllemann aus den politischen Ämtern zu entfernen oder eine Partei zu verbieten, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird.

        ...aber halt: Davor gab es mal eine Zeit in der man von Deutschland als dem Land der Dichter und Denker sprach. Ach ja, und dann gab es ja auch Deutschland, die Fußballnation!

        Doch was offenbart dann der Blick in die Gegenwart: Die großen Literaten sind ausgestorben - Bestseller werden heute von Leuten wie Dieter Bohlen geschrieben. Und nicht etwa selbst- oder fremdernannte Kritikerpäpste wie z.B. Marcel Reich-Ranicki erheben lautstark ihre Stimme gegen die Auswüchse in der Medienlandschaft, sondern Menschen, denen man eher keinen hohen IQ zugesteht, wie dem gelernten Metzger Stefan Raab.

        Superstars der Musik glaubt man heute durch Castings und Zuschauervotings ermitteln zu können.
Die letzten großen Fußballpersönlichkeiten machen inzwischen Werbung für Mobiltelefone.

        Technologisch ist man auf Nachhilfe durch Computer-Inder angewiesen. Tja, und unsere Kultur ist allenthalben fremdländisch beeinflusst, wie ein Blick in die Speisekarten der Restaurants bestätigt.
Und natürlich sind inzwischen sogar australische Bierbrauer in der Lage, das „deutsche Reinheitsgebot“ zu erfüllen.

        Wenn man dann noch kritisch das Benehmen mancher Deutscher in Urlaubspilgerstätten wie Mallorca betrachtet, sehe ich keinen Anlass mit Stolz auf unsere Nation einherzugehen.

Aber ist dieser Nationalstolz wirklich wichtig?
Ich fände es schön, wenn man stolz darauf sein könnte, ein Mensch zu sein.
Ein Humanoid, der sich human verhält. Ein Christ, der sich christlich verhält.
Ein Lebewesen, das weder andere Leben, noch seinen oder fremden Lebensraum zerstört.
Eine Kreatur, die andere Kreaturen gleichberechtigt neben sich respektiert.

Doch die Realität gibt leider nicht einmal diesbezüglich Anlass wahrhaften Stolz zu entwickeln.

Kopf



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